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Für Coaches und Therapeuten: Worauf man bei der Auftragsklärung achten muss

 

Inhaltsverzeichnis

 

Die Auftragsklärung ist die Grundlage der Zusammenarbeit 

Die Auftragsklärung ist das A und O einer konstruktiven Coach-Klienten-Beziehung. In der systemischen Therapie und Beratung ist sie selbstverständlich und sollte es eigentlich immer sein. Was erwartet der Klient? Was sind seine Wünsche und Bedürfnisse? Welche Vorstellungen hat er? Es ist die Aufgabe des Coachs / des Therapeuten, den Auftrag auf eine bewusste Ebene zu holen, dem Klienten beim Ausdrücken seines Auftrags behilflich zu sein, aber auch aktiv Position zum Auftrag des Klienten zu beziehen: Bin ich der Richtige für diesen Auftrag? Ist der Auftrag realistisch? So weit, so gut. Trotz einer guten Auftragsklärung zu Beginn kommt es trotzdem zu Störungen. Wie kommt das?

"Fehler" 1: Der Auftrag verändert sich

Den Auftrag zu Beginn der Zusammenarbeit zu erfragen ist eine wichtige Grundlage. Allerdings können sich Aufträge verändern und verwandeln. Daher gehört eine Auftragserhebung zu jeder Sitzung dazu. Wer noch automatisch vom alten Auftrag des Klienten ausgeht, wird die ein oder andere Überraschung erleben.

"Fehler" 2: Der Auftrag ist geklärt, aber nicht erteilt worden

Auf die Auftragsklärung folgt die Auftragserteilung. So die Logik. Es kann aber passieren, dass der Auftrag zwar geklärt ist, die Erteilung aber nicht folgte. Der Coach / der Therapeut legt los. Der Klient macht mit. Es sieht gut aus, aber trotzdem stimmt etwas nicht. Dann kommt es zu Enttäuschungen, Missverständnissen und Ähnlichem. Um solchen Fällen vorzubeugen, lasse ich den Auftrag explizit erteilen. Wenn der Klient es nicht macht oder es vermeidet ("Ich überlasse mich heute Ihrer Führung." Oder: "Entscheiden Sie, welches Thema ich zuerst angehen soll."), sage ich klar und deutlich, dass das nicht geht, und ich erst dann im Sinne des Auftrags loslegen werde, wenn der Klient mir den Auftrag auch explizit erteilt hat. Der Startschuss muss vom Klienten ausgehen. Natürlich begleite und unterstütze ich dabei. 

"Fehler" 3: Verdeckte Aufträge übersehen

Die Schutzstrukturen des Klienten enthalten verdeckte Aufträge.

Die beliebtesten sind:

  • Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!
  • Rette mich!
  • Hilf mir, das aufzudecken und zu bearbeiten, was mir nicht zu sehr wehtut, aber führe mich keinesfalls an die wirklich wichtigen Punkte!
  • Hilf mir, ohne meine Tricks und Lügen aufzudecken!
  • Gib mir eine Wunderpille!
  • Trage mich auf deinen Händen direkt zur Lösung!
  • Arbeite die Sachen stellvertretend für mich durch und übergib mir die fertige Lösung!
  • Hab mich lieb und lehne mich niemals ab / sage nie Nein zu mir!

Überwiegen die Anteile, die diese Aufträge erteilen, müssen sie zuerst angesprochen und anerkannt werden. Danach geben sie ggf. den Weg für die weitere Zusammenarbeit frei. Wenn nicht, dann ist eine weitere Zusammenarbeit für den Moment noch nicht möglich.

"Fehler" 4: zu wenig Demut bei der Haltung

Zum Thema Haltung wurde bereits sehr viel geschrieben: wertschätzend, auf Augenhöhe etc. etc. An dieser Stelle werde ich die Inhalte der 1000 Ratgeber und Bücher zu diesem Thema nicht wiederholen, sondern auf eine Besonderheit eingehen: die Demut.

Die meisten Menschen verbinden wohl mit Demut so etwas wie "Sich-klein-Machen". Das ist Demut aber nicht. Es ist viel mehr ein Sich-Einordnen in etwas Größeres, also seinen Platz einnehmen. Nehmen wir als, jemand ist für den Therapeutenberuf bestimmt. Er nimmt also seinen Platz ein. Nun könnte er diesen Platz wahlweise mit seinem Ich (=Ego) ausfüllen oder sein Selbst diesen Platz einnehmen lassen. Letzteres führt dazu, dass man eine demütige Haltung einnimmt. Die Erfolge wird man sich nicht mehr auf die Fahnen schreiben wollen. Auch wird man keine übermäßige Euphorie oder eine wahnsinnige Enttäuschung erleben – beides Ego-Produkte. Die Haltung der Demut beschenkt einen mit einem tiefgehenden Gefühl der Erfüllung, egal was ist. Außerdem sorgt sie zuverlässig dafür, dass man sich nicht so leicht zu Ego-Spielchen, Verstrickungen und einer Über-Motiviertheit (Man macht zu viel des Guten, was dann auch schlecht ist.) verleiten lässt.

"Fehler" 5: Die verschiedenen Auftragsebenen missachten

Im therapeutischen Kontext (in jedem anderen aber auch!) sind mehrere Instanzen aktiv. Genau genommen sind es 5. Zwei gehören zum Klienten, zwei zum Therapeuten und dann gibt es noch den Verbindungsknoten. Die jedem bekannten Instanzen sind die jeweiligen Persönlichkeiten. Ich nenne sie "das Ich". Das Ich des Klienten und das Ich des Therapeuten / Coachs treten miteinander in Verbindung. Es entsteht eine Beziehung und es kommt zu einer Auftragsklärung und zu einer Zusammenarbeit. Da die Ebene des Ichs durch psychische Konstrukte beider Beteiligten eingeschränkt ist, ist sie äußerst störanfällig. So kann ein Klient einen Auftrag aus seinen psychischen Schutzmechanismen heraus äußern. Der Therapeut nimmt diesen Auftrag, ebenfalls aus seinen Schutzmechanismen heraus, an. Entweder bricht der Klient dann ab, weil er dann doch nicht das bekommt, was er sich im tiefsten Inneren (unbewusst) wünscht. Oder das Ganze zieht sich endlos in die Länge.

Jeder Mensch verfügt über ein Selbst, das psychisch uneingeschränkt ist. Die Verbindung zwischen seinem Ich und seinem Selbst ist für den Therapeuten entscheidend, denn auch der Klient verfügt über ein Selbst, mit dem er wahrscheinlich nicht so gut verbunden ist, das aber auch einen Auftrag gesendet hat. Der Auftrag ging direkt an den universalen Verbindungspunkt, über den man "zufällig" den Coach / den Therapeuten fand (Zitat aus einigen Anfragen an mich: "Ich bin gerade auf Ihrer Seite gelandet. Ich habe keine Ahnung, wie ich auf Ihre Seite überhaupt gekommen bin, aber ich möchte einen Termin." – Jepp, bingo! :-D). Man bekommt ihn natürlich nicht zufällig "zugewiesen", sondern nach einigen Maßstäben, meistens ungefähr so: "Der Beste für den Auftrag aus meinem Selbst heraus in maximal xy-km-Nähe"). Wenn der Therapeut über diese verschiedenen Ebenen Bescheid weiß, kann er die Auftragsklärung ganz anders angehen: Er wird weiterhin nach dem Auftrag aus dem Ich des Klienten fragen und ihn auf seine Stimmigkeit hin überprüfen. Und so war ich selbst auch schon einmal in der Situation, in der ich mit Klienten über die Nicht-Übereinstimmung Ihrer Aufträge aus Ihrem Ich und aus Ihrem Selbst heraus sprach, was, zugegebenermaßen, kein leichtes Unterfangen ist!

Schauen wir uns aber ein Schaubild an, dass die Auftragsebenen verdeutlicht:

Der ursprüngliche Auftrag des Klienten richtete sich also gar nicht an den Therapeuten. Das Selbst des Klienten erteilt einen Auftrag ans Universum, bestimmte Themen gelöst haben zu wollen bzw. heilen zu wollen, ganz unabhängig von seinem bewussten Ich, das vielleicht ganz andere Pläne schmiedet. Das Universum schickt dann entsprechende Träume, Situationen, Menschen, Unfälle, Krankheiten usw. ins Leben des Klienten. Kommt der Mensch nicht alleine weiter, reift in ihm vielleicht der Wunsch nach einer Begleitung. Das Ich und das Selbst schicken dann einen Auftrag ans Universum, der lautet: "Sorge für Hilfestellung bei meinen Aufgaben" oder "Finde für mich den (inneren) Therapeuten / Coach im Außen".

Die Aufgabe des Coachs / Therapeuten besteht darin, dem Klienten zu helfen, seinen Auftrag auszudrücken. Diesen bewussten Auftrag gleicht der Therapeut dann mit dem Auftrag aus dem Selbst des Klienten ab. Diesen kann er nur abrufen, wenn er über eine gute Selbstverbindung verfügt. Der Auftrag wird aus dem universalen Verbindungspunkt heruntergeladen. Treten da Unstimmigkeiten auf, müssen sie geklärt werden, bevor ein Auftrag erteilt werden kann. Die Selbstverbindungslinie des Klienten ist im Schaubild gestrichelt. Der Klient ist also wenig "online", nur selten mit sich selbst verbunden. Und so übernimmt der Therapeut die Rolle der Schnittstelle, die es dem Klienten ermöglicht, seine Selbstverbindung auszubauen. Im Idealfall wird der Klient den Therapeuten im Außen nicht mehr oder immer seltener benötigen, da er mit dem inneren Therapeuten und der eigenen Selbstverbindung alleine weiterkommt. Schickt das Leben dann doch eine rätselhafte Aufgabe, die weit außerhalb des eigenen Bewusstseins liegt, steht es dem Klienten frei, jederzeit Hilfe im Außen anzunehmen.

Der Coach / Therapeut als Spiegel des inneren Therapeuten

So gesehen ist der Coach / Therapeut gar nicht als er selbst gefragt und auch hauptsächlich auch nicht in einer übergeordneten Coach- oder Therapeutenrolle (ein Stück schon, um dem Ganzen einen Rahmen zu geben), sondern als Teil eines Spiegelprozesses. Jeder Mensch verfügt über einen inneren Coach (auch über einen inneren Therapeuten, einen inneren Heiler, einen inneren Transformator, einen inneren Lehrmeister usw.). Und jetzt begegnet er einer Repräsentanz davon im Außen, also im richtigen Leben, wenn er sich auf eine Begleitung einlässt. Die Repräsentanz ist zwar auch ein Mensch, also niemals perfekt und fehlerfrei. Es ist auch gar nicht notwendig, dass er perfekt und fehlerfrei ist, dafür aber offen und lernbereit. Es geht in erster Linie darum, dass der Klient den Kontakt zu der eigenen inneren Instanz des Coachs / Therapeuten / Heilers usw. aufnimmt und ausbaut. Und da landet man zwangsläufig wieder bei der demütigen Haltung: Es geht nicht um einen selbst und was man so Tolles in der Therapeuten-Rolle kann, sondern wie man sie in Bezug auf einen konkreten Menschen von seinem Innersten aus im Laufe der Sitzung einnehmen kann. Und das ist eine lebenslange Aufgabe. Um C. G. Jung zu zitieren: "Ich habe es mir zur Regel gemacht, jeden Fall als eine völlig neue Aufgabe zu betrachten, von der ich nicht einmal das Abc kenne."*

* C. G. Jung: "Symbole und Traumdeutung. Ein erster Zugang zum Unbewussten", S. 100

 

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