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freiRaum für Männer

 

Inhaltsverzeichnis

 

Hinweis: Dieser Artikel richtet sich an Männer, ist aber auch für Frauen interessant, denn auch Frauen haben ihre sog. männliche Seite oder können in ähnlichen Mustern und Problemen stecken. Sie können sogar versuchen, sich besonders stark an die männerdominierten Zustände anzupassen und besonders rational, straight und ehrgeizig werden.

 

Der erste Schritt

Die meisten Männer kommen erst dann in eine Heilpraxis, wenn es gar nicht anders geht. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, aber für die meisten ist es wirklich ein schwerwiegender Schritt. Vielleicht hat der Leidensdruck, innerlich oder auch durch äußere Umstände ausgelöst, noch ein Stück zugenommen, so dass auch der härteste Kerl ihn nicht mehr aushalten kann. Oder die Lebenspartnerin setzte das Messer auf die Brust: "Löse deine Probleme oder es ist aus." So oder so folgt der erste Schritt in eine Heilpraxis häufig einem als äußerst stark empfundenen Druck und der Einsicht, dass es so nicht weitergeht. Der reine Wille zur Klärung wird erst einmal noch Fuß fassen müssen.

Die Emanzipation der Männer

Männer haben es in vielerlei Hinsicht schwer. In gesellschaftlicher Hinsicht sind die typisch männlichen Rollenmodelle enger geschnürt als die weiblichen. Die Frauen haben ihre Rückzugsorte, die Möglichkeit mit ihren Kindern oder mit anderen Frauen ihre zarten Seiten auszuleben oder auch manchmal im Beruf. Sie sind durch ihren Rhythmus, sofern sie ihn nicht unterbinden, näher an den universellen Regeln und Zusammenhängen. Und ihnen wird ihre Emotionalität meist nicht aberkannt. Eine Ausnahme bildet vielleicht die Wut, die in ihrer passiv-aggressiv-versteckten Form als Zickerei verschrien ist. Männer dürfen zwar wütend werden, es sei denn sie wurden zu einem netten braven Jungen erzogen, sie dürfen aber häufig keine zarten und feinen Gefühle zeigen. Manchmal wird ihnen sogar der Ausdruck der Trauer verboten: Jungs weinen nämlich nicht. Oder sogar der Ausdruck des Schmerzes: Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Und sie müssen rational sein und sich von ihren feinen Wahrnehmungen, für die es keine sprachlichen Entsprechungen gibt, abschneiden: Man muss funktionieren! Eine Ausnahme bildet vielleicht der indirekte Ausdruck dieser Seite, z. B. in künstlerischer Form. Und auch der Künstler darf sich außerhalb seiner Kunst nicht so zeigen, wie er wirklich ist. Die Krankheit, körperlich oder psychisch, kann ebenfalls eine Art Refugium und einen verdeckten Widerstand gegen die Selbst-Aufgabe darstellen. Der Clou bei allen Varianten, ob "Künstler", "Kranker" oder "Funktionstüchtiger": Die eigenen Ketten dürfen nur indirekt ausgedrückt und nicht bewusst erkannt und schon gar nicht benannt werden! (Buchtipp, besonders an dieser Stelle das Kapitel zur "Skelettfrau": "Die Wolfsfrau - Die Kraft der weiblichen Urinstinkte" von Clarissa Pinkola Estés)

In psychologischer Hinsicht scheinen Männer tiefer in die typischen Täter-Opfer-(Retter)-Konstrukte und die daraus resultierenden Angst- und Machtspiele unserer Gesellschaft verwickelt zu sein. Zumindest besetzen sie stärker die öffentlichen Schlüsselmachtpositionen. Die Frauen sind aber genauso daran beteiligt, auch wenn sie viel häufiger die Opfer-Rollen in diesem Konstrukt übernehmen. Und: Jeder Mann hat(te) eine Mutter, die ihm entsprechend diese Muster, meist schon vorgeburtlich, vererbte.

Jetzt mag der Leser einwenden, dass sich einiges in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert und sogar verwandelt hat. Man erlebt immer häufiger Männer, die sich rührend und feinfühlig um ihre Kinder kümmern, die nicht ins Büro flüchten, sondern tatsächlich Zeit mit ihrer Familie verbringen und sogar in Elternzeit gehen; Männer, die empathisch auf die Bedürfnisse ihrer Partnerin eingehen. Männer begeben sich häufiger in die Therapie oder in die Paartherapie als früher, entdecken die "irrationale" Welt ihrer Gefühle und Emotionen, fangen an sich mit ihrer eigenen Geschichte und der ihrer Familie zu beschäftigen, weil sie z. B. bessere Partner oder Väter sein wollen... All das sind gute Anzeichen. Und trotzdem hat (noch) keine Emanzipation stattgefunden. Weder die Frauen noch die Männer sind wirklich frei. Und wenn Frauen, wie bereits erwähnt, ihre geheimen und halb-versteckten Freiheitsbereiche und Nischen innerhalb des Patriarchats gefunden haben, gestaltet sich das Befreiungsunterfangen für Männer schwieriger. In der öffentlichen Diskussion wird es aber genau andersherum dargestellt: Für Unternehmen braucht es eine Frauenquote, denn es gebe nicht genug Frauen in Führungspositionen. Die Frauen würden schlechter bezahlt als Männer für die gleiche Arbeit usw.. Diese Darstellungen lassen sich auch belegen und sind so gesehen faktisch. Trotzdem verschleiern sie die tiefergehende Nicht-Freiheit von Männern und Frauen und können das unbewusste Ziel haben, die Frauen noch stärker bzw. genauso stark in die Anpassung, also zur Aufgabe des eigenen Selbst, zu zwingen wie die Männer. Kein Wunder, wenn dann die meisten Frauen überhaupt kein Interesse an den sog. Führungspositionen zeigen: Der Preis ist einfach zu hoch!

Der zweite Schritt

Nun kommen wir zum zweiten Schritt... All diese Zusammenhänge würden auf der Ebene der individuellen Lebensgeschichte, aber auch im kollektiven Kontext, im freiRaum ans Licht kommen. Ein Teil des eigenen Ich, das noch eine (unbewusste) Verbindung zum Selbst hat, will den Prozess und strebt die Wahrheit und die Klärung auf allen Ebenen an, egal wie heftig der darunterliegende Schmerz sein mag. Ein anderer Teil des Ich, den ich als "Schutz" bezeichne, will den Prozess auf jeden Fall verhindern und dafür sorgen, dass der Status quo erhalten bleibt. Wer wird gewinnen? Beim Thema Terminvereinbarung hat der Anteil, der die Klärung will, vielleicht "gewonnen": Es wurde ein Termin vereinbart und der Mann erscheint in der Praxis. Die Stunde der Wahrheit... Die Karten werden neu gemischt und...? Übernimmt der Schutz? Oder haben die Ich-will-die-Klärung-Anteile mehr Power? Wird sich der Mann auf die unbequemen und manchmal schmerzvollen Wahrheiten einlassen können? Ich hoffe es! Und gleichzeitig weiß ich es nicht. Zu heftig sind manchmal die Altlasten, zu stark wiegen die Rollenbilder, zu fest angewachsen ist das eigene Selbstbild... (An dieser Stelle noch einmal die Anmerkung, dass die beschriebenen Zusammenhänge auch auf Frauen zutreffen, also in allen Sitzungen auftreten können. Es geht hier um die Häufigkeit und um die Zuordnung zum sog. "Männlichen" und zu eher typisch männlichen Rollenbildern.)

Die Partnerin vorschicken

Eine erste Möglichkeit aus diesem Teufelskreis bietet die "Lösung", die darin besteht, die Partnerin vorzuschicken. Häufig ist die Partnerin auch diejenige, die auf den ersten Blick mehr Symptome hat und auch darüber klagt. Man kann also (unbewusst) der Partnerin signalisieren, dass sie in die Therapie gehört, da sie ja diejenige ist, die sich beklagt. Man selbst spüre da nichts, es wäre alles okay. Und so gehen Frauen in die Therapie für sich selbst, aber manchmal auch mit einem unbewussten Auftrag ihrer Partner an sie, auch die Themen des Partners mit zu bearbeiten oder auch den Partner von seinen Themen fernzuhalten. Das kann keinen Erfolg haben. Erstens kann man keine fremden Themen lösen. Zweitens kann es die Frau in ihrem eigenen Entwicklungsprozess behindern, da sie einen unbewussten Auftrag ihres Partners mit in ihre Prozesse bringt. So riskiert sie auch bei sich seltener eine Veränderung, durch die ihr Partner an seine Grenzen kommen und doch in einen bewussteren Kontakt mit seinen Themen geraten würde. Die Partnerin schützt ihn also ein Stück, indem sie ihrem Weg nicht vollständig folgt. Natürlich schützt sie damit auch sich selbst. Denn würde sie ihrem Weg folgen, müsste sie Klartext mit ihrem Partner reden und in erster Linie zu sich stehen. Die Konsequenzen für die Beziehung wären schwer einzuschätzen (neue Beziehungsebene? Trennung?), denn auch dort würden die Karten neu gemischt. Andererseits öffnet sich hier auch die Chance, der Partnerin zu folgen. Nein, nicht auf ihrem Weg, sondern indem man Verantwortung für sein Leben übernimmt, niemanden mehr vorschickt und seinen eigenen Weg geht.

Der alte Weg: Arbeit, Drogen, Sex...

Der Weg zurück steht jederzeit offen. Das ist der Weg der Kompensation. Ob Arbeitswut und Geldverdienen, der Versuch Liebe oder Bedürfniserfüllung durch Sex zu bekommen oder Alkohol oder andere Drogen, Essen, Computerspiele oder Sport  – man kann jederzeit dorthin zurück, zumal wir in dieser Hinsicht im Überfluss leben: Diese Dinge sind jederzeit für vergleichsweise wenig Geld zu bekommen (Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass diese Dinge nicht per se schlecht sind, sondern zur Kompensation benutzt werden können, wie so ziemlich alles andere auch.). Ob man damit zufrieden ist oder irgendwann doch zur finalen Erkenntnis gelangt: "So geht es nicht weiter!", ist wohl sehr individuell. Und niemand, wirklich niemand, kann darauf direkten Einfluss nehmen. Die Entscheidung, den alten Weg zu verlassen, kann nur freiwillig und eigenverantwortlich erfolgen.

Es gibt so viel mehr zu entdecken

Vielleicht folgt mit der Zeit die Erkenntnis, dass es noch viel mehr zu entdecken gibt auf dieser Welt. Mit dem ersten, dem zweiten und dem x. Schritt öffnet sich eine neue Welt: eine Welt voller Wahrnehmungen, Bilder und Symbole. Stück für Stück wird der Schutz abgelegt. Ja, es ist mega anstrengend, psychisch wie körperlich, aber es lohnt sich. Und es wird leichter. Man lernt die Vorzüge und die Chancen dieser neuen Welt kennen. Vielleicht ist sogar ein erster zaghafter Kontakt mit der bedingungslosen Liebe möglich. Vielleicht sogar mit der Heilung...

Der alte Weise

Der alte weise Mann in einem. Er muss doch irgendwo da sein. Und er weiß auch, was zu tun ist. Er ist führungsstark und dabei absolut gelassen. Er muss auch in Ihnen sein. Was sagt er dazu? Was ist zu tun?

  

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