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Alle meine Anteile: der Schatten – meine hässliche Seite

 

Inhaltsverzeichnis

 

Der Schatten

Der Schatten ist der Anteil, bzw. die Summe aller Anteile, die noch nicht das Licht voll und ganz erblickt haben. Sie fristen ihr Dasein noch im dunklen Kerker und warten darauf, gleichberechtigt am Leben teilzunehmen. Da sie das nicht dürfen, weil sie als böse, dunkel, gewalttätig, selbstzerstörerisch, zu machtvoll, verpönt oder tabuisiert gelten, müssen sie andere, häufig unkonstruktive Wege suchen, um sich ausdrücken. Wobei das Unkonstruktive, in vielen Fällen das Gewalttätige, nicht durch den Schatten selbst entsteht, sondern aus der Unterdrückungsenergie resultiert: Durch die Unterdrückung sammelt sich so viel Energie an, dass es irgendwann wahlweise ex- oder implodiert. Dabei sind wir an sich lichtvolle Wesen, die die Erfahrung machen, wie es ist, mit einem Schatten und mit hässlichen Seiten zu leben. Hässlich kommt von Hass und so kann man sich das vereinfacht vorstellen, dass auch wir in Liebe und Hass innerlich gespalten sind. Die hässlichen Seiten unserer Umwelt, z. B. die Müllberge, sind dann eine Entsprechung unserer (kollektiven) inneren Hässlichkeit.

Die meisten kennen den Schatten, wir er, z. B. in Form einer Wutattacke, ausbricht. "Rette sich, wer kann!" – lautet die Devise. Ein erster Schritt bestünde darin, diese Attacken nicht beiseite zu wischen, sondern dem eigenen Schatten zuzuordnen und erst einmal eine neue Umgangsweise damit zu finden, auch wenn man sie noch nicht abstellen kann. Der Schatten ist dadurch zwar nicht erlöst worden, man sorgt aber dafür, dass die Mitmenschen (und man selbst) weniger dadurch zu leiden haben. Der Schatten kann sich aber auch sehr subtil zeigen. Im Moment erleben wir Zeiten, die durch Materialismus und Pseudorationalität gekennzeichnet sind. Und so kann der Schatten in "wissenschaftlichem" Gewand klug und ruhig daherreden und handeln, scheinbar zu einem guten Zwecke, dahinter verbergen sich aber gewaltige Abgründe, Machtansprüche und gar nicht so hehre Ziele. Das muss dem Menschen selbst nicht einmal bewusst sein. Der aufmerksame Leser sei aufgefordert, auf die Mikro-Ausdrücke zu achten, z. B. bei Politikern, Experten und Menschen in ähnlichen Positionen. Vielleicht entdeckt er in einem ultrakurz zu einem schadenfrohen Lächeln verzogenen Mundwinkel den so gut versteckten Schatten?

Spieglein, Spieglein, an der Wand, welcher Schatten ist der hässlichste hier im Land?

Eine gute Frage ist das! Der hässlichste Anteil ist der, der am meisten Hass beinhaltet, also am wenigsten oder gar keine Liebe kennt. Das bedeutet nicht, dass er per se hassenswert und hasserfüllt ist, er ist bloß in diesem Zustand, unterdrückt, verdrängt, abgespalten, nicht an die Liebe angebunden. Und so zeigt er dann seine hasserfüllte Fratze, weil er gar nicht anders kann. Dabei könnte er in seinem bereinigten Zustand über das schönste engelhafte Antlitz verfügen und einen reichlich beschenken.

Eine andere Herangehensweise bietet das moralische Kategorisieren. Man muss nur aufpassen, dass man sich durch das Moralisieren dem eigenen Schatten nicht verweigert und ihn auf andere projiziert. Böse und Täter seien dann demnach immer andere. Was finden Sie persönlich moralisch gesehen am verwerflichsten? Das wird etwas aus der Kategorie der heftigen Grenzverletzungen sein, also etwas Böses, Hinterhältiges und Empathieloses. Ihr Urteil gibt Hinweise auf Ihren Schatten. 

Das heimliche Genießen des Opfers

Wie ich es in einem anderen Artikel bereits etwas ausführlicher beschrieben habe (s. "Ist die Unterscheidung zwischen Traumaanteilen und Schutzanteilen hinfällig?"), sind auf der psychologischen Ebene der Täter und das Opfer zwei, auf der energetischen aber eins. Häufig ist dieser Vorgang völlig unbewusst, das Opfer leidet ja, die anderen haben entweder Mitleid, weil sie sich mit dem Opfer identifizieren, oder ihr Täter-Schatten bricht durch und sie hauen auf das Opfer noch mehr drauf. Tatsächlich hat jeder Mensch, der Opfer ist, auch entsprechende Täteranteile in seinem System, die via Projektion durch andere Menschen, Institutionen und Ähnliches ausagiert werden. Wenn man manchmal noch genauer hinsieht, kann man sogar einen gewissen Genuss im Opfer entdecken: den Genuss der Manipulation, der Macht, des Nicht-aufgedeckt-Werdens. Gleichzeitig gibt es einen Teil, der aufgedeckt werden will. Er zeigt sich ob dieser Beschreibungen zwar entsetzt und entrüstet, hofft aber insgeheim, dass man ihm auf die Schliche kommt und ihn enttarnt, damit man aus dem fast ewigen Opfer-Täter-Spiel aussteigen kann. Zu unterscheiden sind diese Vorgänge vom echten Schmerzausdruck, bei dem die Emotionen und Gefühle tatsächlich verarbeitet und losgelassen werden. Tränen sind nicht gleich Tränen. Und Leid nicht gleich Schmerz. Achten Sie auf Ihr Körpergefühl: Wenn wirklich eine Verarbeitung stattfindet und keine Bestätigung der Opfer-Rolle, dann wird der Körper immer freier, etwas kommt ins Fließen, auch beim Anwesenden oder Zuschauenden. Wenn die Opferrolle Bestätigung sucht, dann tut sich im Körper rein gar nichts. Mit Mitgefühl und Offenheit können Sie allerdings jedem Ausdruck begegnen. Hüten Sie sich vor Arroganz und Besserwisserei, wenn Sie merken, dass jemand in der Opfer-Rolle steckt. Das katapultiert sie schnell in die Täter-Rolle, dann sind Sie ein Teil des Geschehens.

Beispiel: Geltungssucht

Die Geltungssucht ist ein anderes häufig verbreitetes Schatten-Phänomen.

Zu Beginn dieses Abschnitts ein Beispiel, das jeder Tennisspieler – und ich spiele auch viel und gerne Tennis – kennt. Man spielt also gemütlich und entspannt mit seinem Partner. Plötzlich tauchen ein paar "Zuschauer" auf. Vielleicht schauen sie direkt zu, vielleicht sind es Menschen, die nur vorbeigehen. Genauso plötzlich ändert sich das eigene Spiel. Man spannt sich etwas an, will gut aussehen, andere beeindrucken. Man will, dass sie das eigene Spiel gut finden. An sich hat sich nichts geändert: Man spielt ja weiterhin Tennis. Da jetzt Energien von anderen Menschen spürbar werden, werden auf einmal weitere Anteile, die, als man alleine mit dem Tennispartner über den Platz raste, still waren. Sie wollen die Zuschauer dahingehend manipulieren, dass sie dem Spieler den eigenen Wert (in diesem Fall als guter Tennisspieler) bestätigen. Sie strengen sich an, liefern eine Show und hoffen, sich von der Zuschauerenergie ernähren zu können. Gleichzeitig sind Anteile aktiv, die dieses Muster brechen wollen, indem sie in die Scham führen. Das Durchfühlen der Scham würde tatsächlich den Selbstwert wiederherstellen. Psychologisch ist der Mensch aber in diesem Moment innerlich zerrissen: Er will seinen Selbstwert via Geltungssucht beweisen und er will sich auf keinen Fall blamieren. Eigentlich schade. Denn die Blamage und das komplette Durchfühlen der Scham würde ihn aus dieser Zerrissenheit befreien. Beim nächsten Mal könnte er einfach nur spielen. Natürlich würde die Anwesenheit der Zuschauer die Gesamtenergie verändern, das ist normal, sie hätte aber nicht diesen gespaltenen Schatten-Aspekt.

Mein Beispiel zur Geltungssucht ist relativ harmlos. Ist der Machthunger als Ausgleich für Liebeshunger eines Menschen enorm, kann er es in unserer Gesellschaft weit schaffen. Die Konsequenzen davon erleben wir hautnah, zumal wir diesen Prozess selbst zulassen. Die Entscheidungen sind dann geltungssüchtig und im Grunde genommen hassgesteuert, auch wenn sie mit einer freundlichen Mine, mit rationalisiertem Gerede oder mit moralischem Zeigefinger getroffen werden, um z. B. angeblich Menschenleben zu retten. Wer genau hinguckt, entdeckt, dass es nichts anderes als Lug und Betrug ist. Dann sieht man auch an den Folgen dieses Handelns: Umweltzerstörung, Armut, kaputte Beziehungen.

Beispiel: Punktuelle Dankbarkeit haben wollen

Ein Schattenmuster, das wir praktisch alle in uns tragen, besteht darin, Dankbarkeit von anderen haben zu wollen. Das beginnt schon bei so kleinen Sachen, wie wenn man jemandem den Weg frei macht, damit er vorbeikommen kann. Besonders typisch ist das Muster für Eltern-Kind-Beziehungen. Die Eltern tun etwas für ihr Kind, wovon sie überzeugt sind, dass es das Beste ist, und erwarten vom Kind Dankbarkeit.

Der Schatten agiert hier folgendermaßen: Er legt einen Köder aus und wartet, ob ein Vögelchen, also jemand, der sich für den Köder interessiert, angeflogen kommt. Kinder diesbezüglich zu manipulieren ist für einen Erwachsenen ein leichtes Spiel. Aber auch in erwachsenen Beziehungen kommt das sehr oft vor. Hat der Vogel zugebissen, merkt er, dass er im Dankbarkeitskäfig gelandet ist. Natürlich ist der Vogel auch beteiligt, also, lieber Leser, schauen Sie genauer hin, ob das Futter, das Sie annehmen, ein offenes Angebot ist oder ob Sie damit in einen Dankbarkeits- oder einen noch schlimmeren Käfig gelockt werden. Kostenlos gibt es nur universelle Energien, wie z. B. die universelle Liebe. Für alles andere müssen Sie bezahlen, auch wenn es das Etikett "kostenlos" trägt. Es ist also ein Deal und dann haben Sie Schulden, z. B. in Form von Dankbarkeit, die ja auch nur eine Energieform ist. Die Lösung bestünde darin, sich an die allumfassende Dankbarkeit anzuschließen. Die Lösung gilt auch für alle anderen Schattenanteile, die punktuell etwas haben wollen: Liebe, Wertschätzung usw. Statt dem Punktuellen, stellt man die Anbindung an die allumfassende Entität wieder her.

Beispiel: Zicke

Ein anderes Beispiel für das Sich-Zeigen des Schattens ist die berühmte Zicke. Hier ist der gesunde Fluss der Aggression (sprich Lebens- und Durchsetzungskraft) abgespalten, so dass die Zicke keine andere Wahl hat, als zickig zu reagieren, statt ihr Anliegen klar und deutlich zu kommunizieren. Ähnliches betrifft Nörgeln, Quengeln, Sich-Beschweren und all die Anteile, wo der Sachverhalt nicht klar und direkt vermittelt wird, sondern durch einen Unterton eine seltsam-schattige Zusatzinformation bekommt. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass Schatten immer im Spiel ist, nur weil die eigene Botschaft einen extra Klang oder Ton hat, z. B. nur weil man müde klingt.

Weniger im äußeren Ton, sondern im Inneren zeigt sich der Schatten, wenn man z. B. innerlich (und äußerlich) geizig, urteilend oder kleinherzig wird.

Der innere Dämon

Dem inneren Dämon, der ja auch den eigenen Schatten darstellt, kann man im Rahmen von Meditationen oder Seelenbilderreisen begegnen. Er kann z. B. eine hässliche und entartete Kreatur sein, eine kleine oder eine große. Eine passive oder eine aggressive. Lässt man ihm Liebe und Heilungsenergie zuströmen, verwandelt er sich in ein liebenswertes Wesen.

Mit fremdem und eigenem Schatten umgehen

Wie gehen Sie damit um, wenn von jemandem der Schatten durchbricht? Nehmen Sie es persönlich? Triggert Sie das an? Oder können Sie zwischen dem Schatten und dem wahren Menschen unterscheiden?

Mit fremdem Schatten umzugehen ist eine hohe Kunst. Ruhig zu bleiben, klar eine Grenze zu setzen, wenn nötig, ohne dem Schatten dadurch noch mehr Energie zuzuführen – das wäre das Ziel. Meistens triggert der fremde Schatten unseren eigenen an und das Unheilvolle nimmt seinen Lauf. Wenn Sie nicht daraus aussteigen können, dann reflektieren Sie das Muster im Nachgang. Es ist wirklich schwierig, live und sofort da auszusteigen. Auf der eigenen Tastatur ertönt unheilvolle Musik und man ist im Drama, von dem der eigene Schatten ja auch lebt. Sie können aber jederzeit die Entscheidung treffen, auszusteigen. Tun Sie es solange, bis es klappt, damit der Schatten keine Macht mehr über Sie hat. Sie sind der Boss, oder etwa nicht? Die wichtigste Erkenntnis, die Sie dafür brauchen, ist die Erfahrung, dass der Schatten nie so schlimm ist, wie man ihn an die Wand malt. Typisch ist die Angst vor einem Gewaltausbruch, der dann dem Schatten zugeordnet wird. Erinnern Sie sich an den Anfang des Artikels? Dass die Gewalt der Unterdrückung des Schattens entstammt? Wenn Sie das wissen, verliert die Auseinandersetzung mit dem Schatten einiges an Brisanz. Ja, es wird sich immer wieder ängstlich oder mulmig anfühlen, Sie werden es aber schaffen! Da bin ich mir ganz sicher!

 

Fragen zum Nachforschen und Ergründen

  • Wie zeigt sich mein Schatten? Bricht er immer mal wieder durch? Oder färbt er konsequent meine Weltwahrnehmung ein, indem ich z. B. latent unzufrieden durch die Welt laufe? Oder ist er so gut unter Kontrolle, dass er sich kaum zeigt? Oder habe ich ihn tatsächlich bereits weitgehendst integriert?
  • Wie gehe ich mit dem Schatten anderer Menschen um? Wie oft werde ich noch angetriggert? In welchen Situationen? Wo im Körper spüre ich die Blockaden, die mich daran hindern, die Energie, welche auch immer durch den Schatten kommen sollte, einfach durch mich fließen und abfließen zu lassen?
  • In welchen Situationen manipuliere ich? Wo lasse ich zu, dass ich manipuliert werden? Zu welchem Zweck?

 

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