Die Vorteile des Aufstellens
Inhaltsverzeichnis
- Repräsentative Wahrnehmung als Methoden-Basis
- Vergleich: Psychotherapie ohne Aufstellung vs. Psychotherapie mit Aufstellung
- Räumliches Setting: Abstand
- Räumliches Setting: Blickrichtung
- Räumliches Setting: Symbole
- Das Besondere: Abgespaltenes und Unsichtbares sichtbar machen
- Ist das alles sicher?
Repräsentative Wahrnehmung als Methoden-Basis
Ich arbeite ausgesprochen gern mit der repräsentativen Wahrnehmung, die man typischerweise mit systemischen Aufstellungen verbindet. Dabei weist man inneren Anteilen äußere Repräsentanzen zu: Menschen, Zettel, Kissen, Figuren, Papierschnipsel, Stühle, Bilder. Es ist eine unglaublich effektive Methode. Warum?
Vergleich: Psychotherapie ohne Aufstellung vs. Psychotherapie mit Aufstellung
Im Setting einer Psychotherapie ohne Aufstellung sitzen der Klient und der Therapeut sich gegenüber oder in einem Winkel zueinander. Sie führen ein Gespräch. Die Therapie wird – je nach praktizierter Methode – um weitere Elemente ergänzt: Aktives Zuhören bei einer Gesprächstherapie, das Anleiten und Begleiten vom sog. Pendeln bei Somatic Experiencing, das Interpretieren und Einordnen von Mustern bei den analytischen Therapien usw. Dabei ist der Klient gefragt, seinen psychischen Raum möglichst in sich zu halten und sich damit auseinanderzusetzen. Der Therapeut hilft natürlich dabei und hält den Rahmen. Alle Anteile sind im Klienten drin, auch wenn immer mal wieder verschiedene auf die Vorderbühne treten und die vom Klienten abgespaltenen Anteile auch mal beim Therapeuten landen. Der Klient versucht zu sortieren, zu verstehen und zu verarbeiten, während seine Anteile in ihm bleiben. Das ist ungefähr so, als würde man ein Zimmer aufräumen, während alle Sachen drin bleiben. Wenn da sowieso schon viel Ordnung ist, geht das leicht. Wenn es sehr chaotisch ist oder sehr voll ist, wird es deutlich schwieriger. Man wird hin- und herschieben müssen, sofern man noch Platz findet. Und auch bei einem ordentlichen Zimmer besteht die Möglichkeit, dass man an die versteckten Schubladen und die Geheimfächer nicht herankommt, da sie von etwas verdeckt sind, was man für einen unverzichtbaren Teil der Einrichtung hält. Man kommt erst gar nicht auf den Gedanken, diese Sache(-n) wegzuräumen.
Anders ist es in einer Therapie, die die repräsentative Wahrnehmung nutzt. Die Anteile, die zum Thema dazugehören, verfrachtet man nach außen. Der Klient muss sie nicht mehr alle in sich halten. Das entlastet und setzt Ressourcen frei. Auch der berühmte Blick von außen fällt leichter und hilft klarer zu sehen, da das Nach-außen-Legen von Anteilen für mehr Distanz sorgt. Das ist so, als würde man ein Zimmer aufräumen, indem man die Sachen erst einmal in ein anderes sehr großes leeres Zimmer packt. So kann man eine Generalreinigung machen und auch an einige Verstecke herankommen, in denen sich Dinge befinden könnten, von denen man nicht einmal wusste, dass sie da sind. Gleichzeitig können diese Dinge äußerst wichtig sein. Man sortiert also im Außen und holt es am Ende der Sitzung wieder nach innen zurück, dafür aber neu geordnet und um Überflüssiges reduziert.
Räumliches Setting: Abstand
Während einer üblichen therapeutischen Sitzung im Sitzen kann man den Abstand zu seinen eigenen Anteilen nach der Stärke der Symptome einschätzen. Hat der Klient etwas abgespalten, ist dieser Anteil nur dem Therapeuten zugänglich, sofern er diesen Anteil bei sich nicht abgespalten hat. Ansonsten gehen beide, der Klient und der Therapeut, in ihre Schutzanteile und setzen die Sitzungen aus der Abwehr heraus fort. (Die Schutzanteile beim Therapeuten resultieren daraus , dass er das entsprechende eigene Thema noch nicht geklärt und verarbeitet hat. Das hat zu Folge, dass keine echte Lösung bewirkt werden kann. Man dreht sich bestenfalls weiter im Kreise. Schlimmstenfalls entwickelt sich eine unangenehme oder negative Beziehungsdynamik daraus.)
In einer Aufstellung ist es möglich, den Abstand zu den eigenen Anteilen räumlich darzustellen. Ist ca. 1m zwischen dem Bodenanker für Ich und einem anderen Anteil, so ist die Verbindung da (sofern die Blickrichtung stimmt) oder die Verbindung könnte wahrscheinlich leicht hergestellt werden. Befindet sich ein Anteil z. B. 5m vom Ich des Klienten entfernt oder sogar versteckt (In meinem Raum landen solche Anteile gerne mal hinter den Säulen oder hinter der spanischen Wand!), handelt es mit Sicherheit um Abgespaltenes. Die 5m direkt zu überwinden ist unrealistisch. Der Prozess wird aber Zwischenschritte aufzeigen, die notwendig sind, um diesen Abstand zu überwinden. Auf dem Boden entsteht so eine Art Landkarte aus Anteilen, die dann zum Ziel führen. Man könnte meinen, dass man dann einfach vom Kopf her entscheiden kann, diesen Abstand zu überwinden und einfach hinzugehen. Liegt das psychische System im Raum aus, wird schnell deutlich, dass das nicht möglich ist. Versucht ein Klient tatsächlich einen Schritt nur vom Kopf her und nicht vom inneren Impuls her zu machen, bekommt er (oder stellvertretend ich) ein Körpergefühl, das es unmöglich war. Die typischen Anzeichen dafür sind: ein zu schnelles Tempo, so dass das Körpergefühl schwindet, ein plötzlich auftretender Kopfschmerz oder ein Gefühl von Druck. Die Lösung ist einfach: Man geht auf die Ausgangsposition zurück und macht langsam weiter, und zwar nicht vom Kopf her, sondern seinen inneren Impulsen folgend. Diese können auch erst einmal "befehlen", da zu bleiben, wo man ist, damit einiges zum Ausdruck gebracht wird, was bislang noch nicht (klar und deutlich) ausgedrückt wurde. Nur keine Angst vor Stagnation! Ist dieser Schritt erledigt, folgt irgendwann auch der Impuls, die Position zu verändern.
Diese Impulse kommen meiner Überzeugung und Erfahrung nach aus einem Entwicklungsprozess, der in jedem von uns abgespeichert ist und der auf günstige Bedingungen zur Entfaltung wartet. Vergleichbar ist das mit dem Sprechen- oder Laufenlernen, die als Prozesse in jedem Menschen angelegt sind, aber ein entsprechendes Setting brauchen. Einem Kind gezielt beizubringen, wie man läuft oder wie man spricht, ist kontraproduktiv. Es ist aber sinnvoll, für Bedingungen zu sorgen, die diese Prozesse begünstigen. So ist es auch hier. Ebenfalls wichtig ist das Wissen um die Funktionsweise der Entwicklungsprozesse und ein bedingungsloses Vertrauen in sie. Die Entwicklungsprozesse sind spiralförmig angelegt, so dass der nächste Schritt auf dem vorherigen aufbaut. Was manchmal wie eine Wiederholung erscheint, ist hier keine, im Gegensatz zum Feststecken in alten Mustern.
Räumliches Setting: Blickrichtung
Auch die Blickrichtung ist eine wichtige Information. Sie verrät, ob zwischen bestimmten Anteilen Kontakt besteht oder nicht. Sind sie sich zugewandt? Oder ganz abgewandt voneinander? Oder schauen sie aneinander vorbei? Oder schauen Sie ganz woanders hin? Ist da noch etwas, wo sie hinzuschauen, was noch repräsentiert werden muss? Auch hier besteht der erste Schritt darin, wahrzunehmen und auch anzunehmen. Erst dann kommt Bewegung und Änderung der Blickrichtung ins Spiel. Beispiel: Kann ein Anteil einen anderen Anteil nicht direkt ansehen, z. B. aus Scham, muss diese Scham zuerst vollständig ausgedrückt und gefühlt werden. Sie geht dann weg und so wird ein Kontakt möglich. Das System verändert sich. Auf dem Bild mit den bunten Teppich-Anteilen sehen Sie das Endergebnis einer Aufstellung: in diesem Falle ein äußerst geordnetes System.
Räumliches Setting: Symbole
Der freiRaum ist voller Symbole, die zur Darstellung von psychischen Anteilen benutzt werden. Besonders beliebt ist ein Bild an der Wand mit zwei Bäumen. Ich nenne es "das Beziehungsbild", da es meistens um Beziehungen (zu jemand anders, zu sich selbst) geht, wenn dieses Bild mit einbezogen wird. Das passiert übrigens ganz automatisch. Ein Anteil muss unbedingt ein bestimmtes Bild oder einen Gegenstand ansehen. Ich lasse ihn darüber reden. Kleinere Gegenstände können in die Hand genommen werden. Manchmal stehen sie selbst für einen Anteil. Es können auch Handlungsimpulse folgen.
Ich habe meinen Raum so eingerichtet, dass möglichst viele Gegenstände für die therapeutische Arbeit genutzt werden können. Beliebt ist auch der Totenschädel, der für den Aspekt des Todes, aber bei Weitem nicht nur, steht. Im üblichen Therapie-Setting ist es natürlich auch möglich, die Gegenstände mit einzubeziehen. Nur weiß ich nicht, inwiefern meine Kollegen ihre Räume gezielt zu diesem Zwecke einrichten. Viele Kollegen verfügen über eine umfangreiche Ausstattung mit kleinen Gegenständen, z. B. mit Tier- oder Playmobilfiguren, die stellvertretend für die inneren Anteile genutzt werden können. Die meisten Therapieräume sind aber auch eher klein und mit einer Sitzecke ausgestattet, was für ein Coachingsetting oder ein übliches Therapiesetting absolut ausreichend ist. Ich verfolge mit meiner Ausstattung teils andere Ziele und so kommen wir zum letzten Punkt.
Das Besondere: Abgespaltenes und Unsichtbares sichtbar machen
In einer "normalen" Sitzung kann man sich einigen Anteilen nur nähern, wenn das eigene bewusste Ich es kann. Die einzige Ausnahme wäre die Rückmeldung des Therapeuten, wenn er Abgespaltenes wahrnimmt und darüber dem Klienten ein Feedback gibt. Dafür müsste aber der Klient empfänglich sein. Liegt es zu weit außerhalb seiner Wahrnehmungsgrenze, wird er für diesen Hinweis nicht empfänglich sein und in einer Abwehrhaltung landen.
In einer Aufstellung ist es möglich, dass jemand anders diese Anteile (die weiter weg vom Ich liegen) spiegelt, auch wenn das eigene bewusste Ich es noch nicht kann. So bekommt man wichtige Informationen über die Inhalte dieser Anteile, die man sonst nicht bekommen würde. Es ist auch ein gewaltiger Unterschied, ob man den Inhalt vom Therapeuten gesagt oder ob man ihn direkt gespiegelt bekommt. Ersteres spricht häufig nur wenige Ebenen (kognitiv & emotional + führt häufig direkt in die Abwehr) an. Letzteres alle vier (-> und führt seltener in die Abwehr. Außerdem kann die Abwehr direkt bearbeitet werden, da sie greifbarer ist). Der erste Schritt liegt im Ansehen. Das kann auf zwei Ebenen geschehen. Nur kognitiv, vom Verstehen her, sofern ein Verstehen überhaupt möglich ist (Die meisten Anteile, die sich dort zeigen, haben zur Kognition keinen Kontakt und können vom Kopf her nicht erfasst werden.). Oder man lässt die Spiegelung auf sich wirken. Letzteres eröffnet eine neue Ebene und verschiebt die Ich-Grenze weiter nach außen in Richtung des abgespaltenen Anteils. Der innere Raum vergrößert sich. Außerdem können die spirituelle und sogar die kosmische Ebene unseres Dasein zugänglich gemacht werden, sofern der Therapeut dazu einen Zugang hat. Im freiRaum ist das möglich.
Schauen Sie sich das Natur-Bild genau an! Was sehen Sie? Ist das ein Eingang zu einer Höhle? Oder sind Sie in Wirklichkeit in einer Höhle, die die Wirklichkeit imitiert, trotzdem aber eine Höhle ist und keine wirkliche Freiheit? Und das, was Sie hinten sehen, ist in Wirklichkeit der Ausgang, der es Ihnen ermöglichen würde, Ihre Wirklichkeits-Wahrnehmung um einiges zu erweitern. Trauen Sie sich? Oder halten Sie lieber daran fest, dass das Leben in der Höhle das Wahre ist? Eine Aufstellung im freiRaum könnte klar aufzeigen, was wahr und was eine Illusion ist.
Ist das alles sicher?
Ja, eine Aufstellung ist eine relativ sichere Methode. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Wie bei jeder anderen Methode gibt es natürlich auch Gefahren. Es ist eine sehr mächtige Methode.
Wenn der Therapeut nicht erkennt, aus welchen Anteilen heraus der Klient versucht sein Anliegen zu lösen, ob aus seinen gesunden oder aus seinen Schutz-Anteilen (s. dazu z. B. auch die Identitätsorientierte Psychotraumatherapie (IoPT) von Franz Ruppert), kann er Schaden anrichten, wenn er den Klienten dabei unterstützt, das Anliegen aus den Schutz-Anteilen heraus zu lösen. Das gilt allerdings aber auch für jede andere Therapieart und -form. Sobald auch der Therapeut aus der Abwehr heraus handelt, kann es keine echte Lösung geben. Dabei bleibt es meistens auch, man dreht sich also im Kreise. Schlimmstenfalls kann ein Schaden entstehen, sofern der Therapeut in einen Täter-Anteil rutscht, was für den Klienten eine Wiederholungsschleife für seine Opferanteile bringt, und zwar in einem Kontext, der eigentlich Erleichterung und Heilung bringen sollte. Daher halte ich kontinuierliche Supervision und Arbeit an eigenen Themen seitens des Therapeuten für unabdingbar. Für mich gilt der Grundsatz: "Primum non nocere".
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